Vorpremiere VDP.GROSSES GEWÄCHS 2023.

D-Wiesbaden, 27.–29. August 2023, Beitrag von Max Gerstl und Pirmin Bilger

rotwein

Jeweils am 1. September dürfen die Grossen Gewächse (GG) aus Deutschland offiziell auf den Markt gebracht werden. Die Weissweine 1 Jahr nach der Ernte, die Rotweine 2 Jahre nach der Ernte. Darum veranstaltet der VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter) Ende August für einen kleinen Kreis von internationalen Weinexperten diese Vorpremiere. Und so reisten wir gegen Ende August 2023 voller Vorfreude nach Wiesbaden an diesen international renommierten Wein-Event.

 

Was da geboten wurde, war einmal mehr schlicht spektakulär. Gegen 500 Grosse Gewächse von den Traubensorten Silvaner, Riesling, Weissburgunder, Grauburgunder, Chardonnay, Spätburgunder und Lemberger aus allen berühmten Anbaugebieten Deutschlands wurden präsentiert. Wir haben zusammen die Gelegenheit genutzt, die Weine der verschiedenen Produzenten im direkten Vergleich zu verkosten. Die Weine wurden jeweils nach Rebsorten getrennt und nach Lagen sortiert ausgeschenkt. So konnten beispielsweise aus der Lage Forster Pechstein Weine von 6 verschiedenen Produzenten im direkten Vergleich verkostet werden. Das bietet die einmalige Gelegenheit sich ein Bild darüber zu machen, wo «unsere» Winzer im direkten Vergleich mit anderen Spitzenproduzenten stehen. Was sich hier aber ganz besonders eindrücklich gezeigt hat, ist die überragende Klasse der Weine aus Deutschland im Allgemeinen.

 

Fazit:

Die besten Pinot Noir Deutschlands sind ganz klar auf dem gleich hohen qualitativen Niveau wie jene aus dem Burgund.

Unter den Riesling GGs Deutschlands gehört eine grosse Anzahl zu den allergrössten trockenen Weissweinen dieser Welt. 

1. Tag

Wir starteten am Sonntag 27.8. mit den Weissburgundern, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Das Niveau war bei allen Weinen sehr hoch, aber Charakter, Ausprägung, Stilistik etc. waren doch sehr unterschiedlich – von kargen und mineralischen bis hin zu frisch-fruchtigen und vom Holz geprägten Weinen. Insgesamt zeigt sich der Jahrgang von einer guten, reifen Säure geprägt, die den Weinen eine sehr schöne Spannung verleiht.

 

Im Anschluss an die Weissburgunder gab es die Grauburgunder zum Verkosten. Diese Weine hätten kaum unterschiedlicher sein können – von eher langweiligen, breiten und holzbetonten Gewächsen bis hin zu spannungsgeladenen, eleganten und mineralischen Highlights. Verkostet haben wir zum Teil sehr unterschiedliche Jahrgänge – 2020, 2021 und 2022. Es hat sich auch gezeigt, dass die Weine von den Weingütern Franz Keller und Dr. Heger die absolute Spitze bilden. Sie heben sich aus unserer Sicht von den Mitbewerbern ab, da sie sehr schlank, mineralisch und elegant sind und eine ganz besondere Klasse haben.

 

Darauf folgte eine kleine, aber hochklassige Selektion von Chardonnays. Einmal mehr hat sich hier das inzwischen sehr hohe Niveau der deutschen Winzer gezeigt. Bei einigen Weinen wägte man sich im tiefen Burgund mit einer unglaublich mineralischen, reduktiven und von Eleganz und Noblesse geprägten Stilistik. Es war ein Hochgenuss, diese Weine zu degustieren.

 

Im Hauptprogramm: die Spätburgunder

 

Es folgte nun das Hauptprogramm des Tages: die Spätburgunder. Wir starteten mit einer kleinen, aber hochkarätigen Auswahl aus dem Ahrtal. Das Weingut Meyer-Näkel gehört für uns zu den Spitzenreitern mit seinen präzisen, eleganten und sinnlichen Pinots. Aus Franken kamen die Highlights von Fürst, dem Überflieger aus dieser Region. Aus Rheinhessen trumpften Kühling-Gillot mit dem 2021er Kreuz und Battenfeld-Spanier mit dem Kirchenstück ganz gross auf. Die Pfalz hatte sehr viele grosse Weine dabei – Christmann und Rings lieferten ganz grosse Burgunder ab. Überhaupt haben uns die Winzer aus unserem Sortiment sehr überzeugt. Friedrich Becker und Jülg haben geniale 2020 und 2021er gezeigt. Vor allem die Weine von Becker haben eine unbändige Kraft und eine ebenso gewaltige Struktur in sich. Diese Weine brauchen viel Zeit, um ihr gesamtes Potenzial entfalten zu können. Der Jahrgang 2021 ist klar der schlankere und elegantere Jahrgang. Der 2020er dann dichter mit mehr Kraft. Auch die badischen Winzerinnen und Winzer vermochten mehr als nur zu überzeugen. Für uns war Franz Keller überirdisch gut. Aber auch Dr. Heger gehört zur obersten Liga, der Einfluss von Rebecca Heger (4. Generation) mit ihrem eleganteren und burgundischen Stil kam sehr schön zur Geltung.

2. Tag

Heute liegt der Fokus voll und ganz auf den grossen Rieslingen. Wir begannen mit der Mosel, wo sich bestätigte, dass mit dem Jahrgang 2022 ganz grosse Rieslinge entstanden sind. Sehr puristische spannungsgeladene Weine mit viel Tiefgang und einer sinnlichen Aromatik. Grans-Fassian und Fritz Haag konnten auf der ganzen Linie überzeugen. Einige Weingüter präsentierten auch ihre 2021er-Weine. Bei diesen Weinen war die Säure prägnanter und spitzer, die Weine sind darum etwas schlanker. Von der Region Rheingau haben uns natürlich vor allem Peter Jakob Kühn und Weil interessiert. Kühn präsentierte seine genialen 2021er, die ein Highlight in jeder Serie darstellten. Auch der Gräfenberg von Weil hat mehr als nur überzeugt. Mehrheitlich zeigten die Weingüter aus dem Rheingau ihre 2021er-Weine. Ein wirklich grosser Jahrgang mit entsprechendem Reifepotenzial. Anschliessend wechselten wir nach Franken – mit einer kleinen, aber feinen Auswahl. Horst Sauer konnte hier seine hervorragende Qualität bestätigen.

 

Die Nahe präsentierte mit Schäfer-Fröhlich, Emrich-Schönleber, Dönnhoff, Gut Hermannsberg, Diel usw. sehr viele Hochkaräter und es war sehr spannend, diese Weine miteinander zu vergleichen.

 

Sehr stark ist Rheinhessen. Das ist eine gigantisch hochklassige Serie – sicher in der Summe die grössten Rieslinge aus Deutschland. Kraftvoll, Terroir, Tiefgang und Eleganz. Wittmann überzeugt wieder einmal mit der gesamten Kollektion, er gehört zu den grössten Winzern aus ganz Deutschland.

 

Auch in der Pfalz ist das Niveau sehr hoch. Rings mit ganz grossen Weinen, elegant, aber mit unglaublich viel Tiefgang, Kraft, Spannung und einer herrlich feinen Reduktion. Von Winning wie immer nobel vom Holz geprägt, anders und doch so spannend und köstlich gut. Die Bestätigung bei Christmann: Die Rieslinge werden immer schlanker und puristischer mit einer wunderschönen Strahlkraft. Bürklin-Wolf war bei jeder Serie top, präsentierte jeweils den besten Wein oder gehörte zumindest zu den Besten. Ein Überflieger war auch der Kreuzberg von Battenfeld-Spanier.

 

Nach 460 Weinen, die wir während 3 Tagen verkostet und verglichen haben, lässt sich einmal mehr sagen: Das Niveau der Weine aus Deutschland ist extrem hoch und die Qualität steigert sich sogar noch von Jahr zu Jahr.

 

Beim Genuss-Preis-Verhältnis sind die deutschen Weine unserer Meinung nach unschlagbar. Das erklärt auch, dass die Fangemeinde in der Schweiz für diese Weine immer grösser wird.

Besondere Highlights von Max Gerstl

Hier erwähnt Max Gerstl ein paar Dinge, die ihn in den 3 Tagen Wiesbaden ganz besonders berührt haben.

 

Weingut Zilliken

Ockfener Bockstein: Der Wein von Zilliken war für meinen persönlichen Geschmack absolut überragend im Vergleich mit den ebenfalls grandiosen Bockstein von Othegraven, Van Volxem und Nik Weis. Zillikens Bockstein ist von unglaublicher Präzision und Feinheit, gleichzeitig irre komplex und konzentriert und vor allem sagenhaft raffiniert. In dieser Beziehung überragt er die Nachbarn deutlich. Das Saarburger Rausch GG hat mich schon auf dem Weingut zutiefst berührt und hier – im Vergleich mit anderen überragenden Gewächsen – hat sich mein Eindruck noch verstärkt. Insbesondere der raffinierte, cremig weiche Schmelz dieses Rassekerls ist ein Wunder der Natur.

Schlossgut Diel

Das Pittermännchen GG konnten wir in Wiesbaden zum ersten Mal fertig vinifiziert probieren. Kurz und gut: Der Wein ist ein einzigartiges Sinneserlebnis. Hier gelangen Sie zur Degustationsnotiz: 2022 Dorsheimer Pittermännchen Grosses Gewächs


Die Lage Saumagen in Kallstadt, Pfalz

Es ist mir nicht neu, dass hier ganz grosse Weine wachsen. Im Gegenteil: Von hier kamen in den 90er-Jahren die ersten trockenen Weine Deutschlands, die mich begeisterten, die Weine von Bernd Philippi. Von der Saumagen Auslese trocken R 1990 – einer der ganz grossen Weinlegenden Deutschlands – hat uns kürzlich Karsten Peter seine letzte Flasche kredenzt. Das war eines meiner ganz grossen und unvergesslichen Weinerlebnisse. Leider gab es Ende der 90er-Jahre qualitative Schwankungen bei den Weinen von Bernd Philippi, sodass wir die Zusammenarbeit beenden mussten. Damit haben wir auch den Kontakt zur Lage Saumagen verloren. Jetzt haben wir das grosse Glück, mit dem Weingut Rings den wohl aktuell besten Saumagen-Produzenten in unserem Portfolio zu haben. In Wiesbaden gab es lediglich zwei Weine aus dem Saumagen, aber beide beeindruckten mich zutiefst: jener vom Weingut Philipp Kuhn (20/20) und der schon heute legendäre Überwein vom Weingut Rings (20+/20). Er besitzt alle Qualitäten, um zu einer ähnlichen Legende heranzureifen wie der 1990er von Bernd Philippi.

Weingut Franz Keller

Wir waren ja schon sehr begeistert, als wir die Weine auf dem Weingut verkosteten. Aber jetzt im direkten Vergleich mit allen absoluten Top-Pinot-Produzenten Deutschlands bin ich restlos beeindruckt! Diese 2021er von Franz Keller sind in Sachen Raffinessen nicht zu übertreffen. Und sie gehören für meinen Geschmack zum Allerbesten, was ich vom Weinjahrgang 2021 kenne. Dabei vergesse ich auch die Burgunder 2021 nicht, die ich so über alles liebe.


Weingut Dr. Bürklin Wolf

Ich liebe es ganz besonders, wenn Jungweine eine sanft reduktive Note zeigen und ich mag es selbst dann, wenn es etwas ausgeprägter ist wie bei Schäfer-Fröhlich. Aber wenn es so sagenhaft raffiniert ist wie bei allen Weinen von Bürklin-Wolf, dann verleiht das den Weinen ihre unvergleichliche Strahlkraft. Als wir die Weine auf dem Weingut verkosteten, war der reduktive Ton noch etwas ausgeprägter, aber jetzt in Wiesbaden fügt er sich so vollendet harmonisch ins Geschmacksbild ein, wie ich es kaum je zuvor erlebt habe. Von der überragenden Qualität dieser Weine konnte ich mir schon in den vergangenen Jahren anlässlich der GG-Proben von Wiesbaden ein Bild machen. Jetzt, wo wir in der glücklichen Lage sind, diese Weine in unserem Sortiment führen zu dürfen, habe ich sie natürlich noch aufmerksamer verkostet. Das sind in der Tat Weine von einzigartiger Schönheit – und sie gehören klar zu den berührendsten Perlen unseres Sortimentes. 


Weingut Meyer-Näkel

Auch diese Weine vom Weingut Meyer-Näkel sind mir schon in der Vergangenheit bei den Proben in Wiesbaden besonders positiv aufgefallen. Deshalb haben wir auch keinen Moment gezögert, zuzusagen, als wir die Möglichkeit bekamen, diese Weine in unser Sortiment aufzunehmen. Dass diese Weine zur Spitze Deutschlands gehören, war mir schon immer klar. Dennoch haben mich die Weine im direkten Vergleich mit der absoluten Spitze Deutschlands meine hoch gesteckten Erwartungen noch übertroffen. Es kommt noch dazu, dass die besondere Stilistik von auf Schiefer gewachsenem Pinot diesen Weinen zusätzliche Raffinesse verleiht.

Weingut Christmann

Das Weingut Christmann gehört ja schon seit ewigen Zeiten zur absoluten Spitze Deutschlands. Trotzdem haben mich diese Weine in diesem Jahr noch etwas mehr berührt als in den vergangenen Jahren. Insbesondere die Spätburgunder haben weiter an Feinheit und Raffinesse zugelegt, aber ich habe glaubs auch bei den Rieslingen noch nie so viel Gänsehaut gehabt wie in diesem Jahr.