Kellers Kolumne: Dorli Muhr.
Winzerin Dorli Muhr: Burgund in Österreich.
«Dorli Muhr gehört zu den besten Rotwein-Produzentinnen Österreichs.»
Peter Keller
Ihre Weine sind seidig, finessenreich, dicht, herkunftsbezogen und lagerfähig. Im Interview mit Weinjournalist Peter Keller erklärt die Winzerin und PR-Fachfrau, warum Blaufränkisch eine grosse Sorte ist und warum es Leidenschaft braucht, um aussergewöhnliche Gewächse zu produzieren.
Dorli Muhr habe ich durch ihre Arbeit als PR-Fachfrau kennengelernt. Ihre Wiener Agentur Wine & Partners zählt heute zu den ersten Adressen Europas. Die ersten Jahre der Zusammenarbeit mit ihr waren freilich schwierig, weil zu viele Pressemitteilungen das Postfach fluteten. Es brauchte Zeit, um den Zugang zu Muhr – einer konsequenten, intelligenten Frau mit klarer Meinung – zu finden. Die Annäherung erfolgte durch ihr Weingut in Carnuntum. Seit Beginn haben mich die Weine angesprochen und begeistert. Die Blaufränkisch-Crus vom Spitzerberg sind stets elegant, finessenreich, feingliedrig, dicht, authentisch, herkunftsbezogen und haben eine Seele. Im Gespräch äusserst sich Dorli Muhr über ihre Leidenschaft des Weinmachens, den Blaufränkisch und warum sie stolz ist, dass ihr Betrieb zu den besten 100 Weingütern der Welt gehört.
Du bist Winzerin und PR-Fachfrau. Wie würdest Du Dein Weingut in drei Worten umschreiben?
Dorli Muhr: Feminin, herkunftsverliebt und selbstverständlich biologisch.
Deine Weine sind äusserst ausdruckstark und authentisch. Welchen Stil strebst Du mit Deinen Gewächsen vom Spitzerberg an?
Für mich kommt das Wort «Seide» am nächsten. Ich möchte engmaschige, zarte, dichte Weine mit feiner Struktur erzeugen. Jeder erzählt seine Herkunftsgeschichte vom Spitzerberg – eine Lage, die dafür prädestiniert ist, grossartige Gewächse mit unverkennbarer Stilistik hervorzubringen.
In Sachen Boden dominieren am Spitzerberg Kalkstein und Dolomit. Du füllst seit Kurzem Weine von einzelnen Parzellen ab. Warum?
Früher war mein Topwein «Ried Spitzerberg» ein Blend von den drei ältesten Rebanlagen, die auf drei verschiedenen Subrieden am Berg standen. Die Charakterunterschiede dieser drei Crus haben mich immer fasziniert, es gab aber zunächst gesetzliche Probleme, sie separat zu füllen und trotzdem auf ihre gemeinsame Herkunft zu verweisen. Dabei tat es mir immer in der Seele weh, sie zu verschneiden. Sicher: Eine Cuvée hat einen oft noch vollkommeneren, vielleicht komplexeren Ausdruck. Aber mich beeindruckte die präzise, individuelle Sprache jedes Crus.
Erst nach einigen Jahren des Kämpfens habe ich die Erlaubnis bekommen, auf das Etikett sowohl «Ried Spitzerberg» als auch den Namen der Subriede zu schreiben. Seither sind die Einzellagen separat gefüllt. Es ist eine Freude, ihre Entwicklung zu beobachten.
Am Spitzerberg fühlt sich der Blaufränkisch zu Hause. Lässt sich diese einheimische Sorte in eine Reihe mit den grossen Terroir-Varietäten Pinot Noir und Nebbiolo stellen? Warum?
Früher wurde Blaufränkisch aufgrund seiner Säure und Ruppigkeit oft als «Bauernwein» bezeichnet. Heute verstehen wir besser, mit der Sorte umzugehen. Auch die Klimaveränderung hat dazu beigetragen, dass der Blaufränkisch mittlerweile international Anerkennung findet.
Dorli Muhr: Von «Wine & Spirits» zu den 100 besten Weingütern der Welt gekürt.
Du bist leidenschaftliche Winzerin. Kann man ohne Leidenschaft grosse Weine keltern?
Heute ist es selbstverständlich und keine Kunst, anständigen Wein zu produzieren. Man muss technisch und marketingmässig gut sein. Wein ist meist ein industrielles Produkt, eine Commodity. Ich will mehr. Ohne Leidenschaft und inneres Feuer geht es nicht. Ich muss als Winzerin zudem mehr Risiken eingehen und mehr Aufwand betreiben. Bei mir arbeiten Menschen und keine Maschinen. Ich muss mehr Arbeitsstunden investieren und stets die Frage stellen, ob die Kundschaft überhaupt meine Weine mag, weil sie je nach Jahrgang etwas anders schmecken.
Offensichtlich ist das der Fall. Dein Weingut wurde kürzlich vom US-Fachmagazin «Wine & Spirits» zu den 100 besten Weingütern der Welt gekürt. Was bedeutet Dir eine solche Auszeichnung?
Das bedeutet mir sehr viel und ist vor allem auch ein Lob für mein Team. Man schätzt und anerkennt unsere Arbeit auf einem anderen Kontinent. Und es ist ein Statement dafür, dass Österreich auch ein ernstzunehmendes Rotwein-Land geworden ist. Neben mir kamen nämlich noch zwei weitere Rotwein-Produzenten in die Top-100.
Wo steht Dein Weingut in zehn Jahren?
Mein neues Weingut habe ich so gebaut, dass es ein Begegnungszentrum für Geniesser und Geniesserinnen werden soll. Man kommt emotional mehr mit, wenn man weiss, wo der Wein herkommt und wer ihn erzeugt. Zudem sollen etwa Konzerte stattfinden, Weinwanderungen durchgeführt werden. Mein Betrieb ist klimaneutral. Die Kellerei befindet sich oberirdisch, mit 80 cm dicken Mauern, die eine konstante Temperatur garantieren. Die Isolationshülle besteht aus einer Grünwand mit Pflanzen. Ich brauche dank diesen Massnahmen keine Klimaanlage im Innern. Wir arbeiten mit der Kraft der Natur und sind völlig unabhängig von äusseren Einflüssen.
Peter Keller