Wie ich die deutschen Weine in die Schweiz brachte.

rotwein

Es war Anfang der 1980erJahre, meine Frau und ich führten das Restaurant in Davos, das wir von meinen Eltern übernommen hatten. Ich war damals schon ein Weinverrückter und hatte eine Weinkarte mit gegen 1000 Positionen Bordeaux - weinen zu sagenhaft günstigen Preisen. Ein Arzt aus Deutschland war regelmässiger Gast und freute sich über meine Empfehlungen, die ihm offensichtlich gut gefielen. Eines Tages brachte er mir eine 1976er-Auslese von Egon Müller als Geschenk mit. Ich hatte absolut keine Ahnung, was das war. Einerseits war ich eher skeptisch (ein Wein aus Deutschland, das kann wohl nicht wirklich gut sein). Anderseits war ich sehr angetan von den enormen Weinkenntnissen des deutschen Arztes Ludwig Stephan, der in kurzer Zeit zu einem meiner besten Freunde wurde und es auch heute noch ist. So haben meine Frau und ich diese 1976er-Auslese bei der erstmöglichen Gelegenheit getrunken.

Wir waren zutiefst berührt von diesem Wein und haben das Ludwig auch mitgeteilt. Er erzählte uns, dass er Egon Müller und andere Weingüter an der Mosel regelmässig besucht und dass er uns gerne einmal einladen würde, ihn dabei zu begleiten. Diese Einladung nahmen wir sehr gerne an und verbanden sie auch gleich mit einem Besuch der Spitzenweinversteigerung in Trier. Wir besuchten die Weingüter Egon Müller, von Schubert, Karthäuserhof und Zilliken. Das war Mitte der 1980er-Jahre zu den Anfangszeiten unseres Weinhandels. So sind wir gleich in der absoluten Spitze deutscher Weinproduktion gelandet und meine Begeisterung kannte keine Grenzen. Ich habe ziemlich viel deutschen Wein für meinen Privatkeller gekauft, kam aber überhaupt nicht auf den Gedanken, diese Weine auch im Weinhandel anzubieten. Unsere Weinhandlung hiess damals «La Cave Bordelaise» und beschäftigte sich ausschliesslich mit Weinen aus Bordeaux. Gegen Ende der 1980er-Jahre hatte sich aber bereits eine ansehnliche Menge von Moselweinen in meinem Privatkeller angesammelt, und irgendwann kam ich dann doch auf die Idee, diese Weine in der Schweiz bekannt zu machen. Der Erfolg war mehr als bescheiden, kaum jemand wollte diese Weine überhaupt nur probieren, geschweige denn kaufen.

Aber es gab glücklicherweise ein paar Ausnahmen. Eine davon war Silvio Rizzi, der damalige GaultMillau-Herausgeber. Er hatte die Idee, die deutschen Weine mit einem Anlass im legendären GourmetRestaurant «Petermanns Kunststuben» in Küsnacht/ZH zu lancieren. Mit seiner Hilfe gelang es denn auch, das Lokal mit interessierten Weinfreunden zu füllen. Was der Anlass aber letztlich an Bestellungen und bleibender Kundschaft brachte, war auch ziemlich bescheiden. Vielmehr musste ich von verschiedener Seite immer wieder hören: «Deutsche Weine in der Schweiz, vergiss das, das ist völlig unmöglich.» Es gab aber glücklicherweise die erwähnten Ausnahmen. Beat Caduff zum Beispiel kam von Arosa zu uns, um ein paar Bordeaux zu probieren. Als ich ihn zum Schluss fragte, ob ich ihm noch einen Wein aus Deutschland zeigen dürfe, hat er das erstaunlicherweise nicht abgelehnt. Er schnüffelte intensiv am Glas, nahm einen Schluck und sagte: «Das kaufe ich!» Das war eines meiner allerschönsten Erfolgserlebnisse in meiner noch kurzen Laufbahn als Weinhändler. Dann war da noch Daniel Gantenbein, ich habe ihn damals noch nicht gekannt, aber er hat gleich 12 Flaschen von der Auslese Nr. 125 vom Weingut von Schubert gekauft und später sogar nachbestellt. Und dann war uns auch Beat Blum von der Mühle Fläsch eine grosse Hilfe beim Bekanntmachen des deutschen Rieslings. In der Mühle «musste» praktisch jeder Gast einen Schluck davon probieren.

So hat sich nach und nach eine kleine, aber feine Riesling-Fangemeinde in der Schweiz gebildet. Sie ist dann – vor allem mit der Lancierung der Grossen Gewächse und dem damit verbundenen Qualitätssprung der trockenen Weine – rasant gewachsen. Heute haben wir ein einzigartiges Sortiment an deutschen Weinen, in dem praktisch alle grossen Namen mit ihren begeisternden Weinen vertreten sind. Darauf bin ich offen gestanden schon ein kleines bisschen stolz. Und ich freue mich Jahr für Jahr enorm, wenn ich an unseren Deutschland-Degustationen sehe, dass die Fangemeinde für deutsche Weine immer etwas grösser wird.